Blog

Infrachain18 – Die erste Schweizer Blockchain-Konferenz für digitale Infrastrukturen

Anna Boos
07.12.2018
Artikel teilen

Ein Rückblick


“Wir stehen vor einem grossen Wandel der Politik und der Verwaltung.”

Dies verriet uns Bundesrat Ueli Maurer im Interview kurz vor seiner Eröffnungsrede der Infrachain18, die erste Schweizer Blockchain-Konferenz, welche auf die Bedürfnisse von Verwaltungen und öffentlichen Infrastrukturbetreibern ausgerichtet ist und am letzten Montag (3. Dez) stattfand.

Gemäss Infrachain18 fanden sich rund 250 Personen im Stade de Suisse Bern zusammen und diskutierten über die Zukunft der Blockchain-Technologie in der Schweiz. Dass Blockchain eine Zukunft haben wird, blieb unbestritten. So hielt der Finanzminister bei seiner Eröffnungsrede gleich fest:

“Ich gehe davon aus, dass die Anwendungen im Blockchain-Bereich in den nächsten Jahren explodieren werden.”

Die Schweiz sei diesbezüglich gut aufgestellt, sie habe starke Universitäten und ist bei der Entwicklung von dezentralen Technologien vorne mit dabei. Dennoch muss die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie noch verbessert werden, damit die Schweiz ihr Innovationspotential v.a in Bezug auf konkrete Anwendungen ausschöpfen kann. Ein weiterer wichtiger Grundsatz der Standortförderung sei die Schaffung von Rechtssicherheit und klaren regulatorischen Rahmenbedingungen. Trotzdem wolle die Schweiz im Gegensatz zu Liechtenstein kein «Blockchain-Gesetz» verabschieden, sondern die bestehenden Gesetze auf die neue Technologie anwendbar machen.

Eine solche Gesetzesregelung wird derzeit vom Bund durch die Arbeitsgruppe Blockchain/ICO geprüft. Jörg Gasser, Vorsteher der Arbeitsgruppe und Staatssekretär für internationale Finanzfragen, gab am Nachmittag der Konferenz einen Zwischenbericht zu möglichen Stossrichtungen. Der definitive Bericht wird in Kürze veröffentlicht. Das Thema Regulation wurde in den einzelnen Referaten und Panels immer wieder hervorgebracht. Man war sich jedoch einig: Man sollte nicht voreilig sein mit Blockchain spezifischen Regulierungen, das Schweizer Gesetz biete schon in der jetzigen Form eine gute Grundlage.

Was man sich allerdings wünsche – und das wurde auch während unserer Podcast-Aufzeichnungen klar – ist, dass der Staat pro-aktiver wird im Umgang mit neuen Technologien, selbst Möglichkeiten ausprobiert und gute Rahmenbedingungen schafft, damit junge Unternehmen das Potential von diesen Technologien erkunden können. Dazu gehöre auch, dass man Risiken eingeht und mal scheitern darf. Um Innovation voranzubringen, brauche es eine positive Fehlerkultur. Wie SP-Nationalrat Cédric Wermuth bemerkte, sei es schliesslich völlig absehbar und normal, dass drei Viertel aller Anwendungen im ersten Anlauf scheitern würden.

Blockchain – und das konnten die Veranstalter*innen der Infrachain18 klar machen – ist längst kein Fintech-Business-Hype mehr, sondern etwas, was im Gegensatz zur Digitalisierung nicht verschlafen werden dürfe. Das ist anscheinend in der Politik angekommen: Nebst Ueli Maurer und Cédric Wermuth äusserten sich noch weitere hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der Politik über das Potential der neuen Technologie, darunter der FDP-Nationalrat Ruedi Noser, die Berner Finanzdirektorin Beatrice Simon-Jungi, der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried und natürlich der Zuger Regierungsrat Heinz Tännler. Letzterer präsidiert ausserdem die Swiss Blockchain Federation, eine Vereinigung, welche sich für einen attraktiven Blockchain-Standort in der Schweiz einsetzt.

Das Interesse der Politik zeigt, dass die Blockchain-Technologie in den letzten Monaten einen beträchtlichen Imagewandel durchlaufen hat. Mittlerweile wird sie nicht nur mit Kryptowährungen und Spekulationsgut gleichgesetzt, sondern wird von der öffentlichen Hand als vielversprechende Grundlage für eine digitale Infrastruktur ernstgenommen. Der Infrachain18 ist es sicherlich gelungen, hier nochmals einen Akzent zu setzen.

Weshalb ist die Blockchain-Technologie für die öffentliche Verwaltung so interessant? Das hat mehrere Gründe[1]:

Erstens, ist sie von ihrer Architektur her dezentral. Das heisst, die Daten sind nicht auf einem einzigen Server abgelegt, sondern auf einem Netzwerk verteilt, so dass jeder Knotenpunkt eine exakte Kopie der Daten hat. Das verleiht der Infrastruktur eine gewisse Resilienz gegenüber Datenverlusten, wie beispielsweise durch Hackerangriffe.

Zweitens, sind die Daten auf sehr sichere Weise verschlüsselt. Zwar können alle Parteien des Netzwerkes die Daten in verschlüsselter Form sehen, jedoch haben nur Zugriffsberechtigte Einsicht in die entschlüsselten Inhalte. Gerade im Zeitalter von Big Data bietet die Blockchain interessante Ansätze zur Wiederherstellung der Datensouveränität und somit zum Schutz der Privatsphäre. Aufgrund der relativ hohen Sicherheit bei der Datenübertragung könnten hierdurch Anwendungen wie zB. E-Voting bei Abstimmungen oder anderen Partizipationsformen ermöglicht werden.

Drittens, können mit der Blockchain disintermediäreTransaktionen sicher getätigt werden. Es braucht also keine vertrauenswürdige Drittpartei, welche eine Transaktion auf ihre Gültigkeit überprüft und Sicherheit bei der Datenübermittlung gewährleistet. Dadurch können einerseits einige Verwaltungsaufgaben effizienter gestaltet werden oder fallen sogar weg. Andererseits eröffnet es neue Kooperationsmöglichkeiten auf sogenannter peer-2-peer Basis, das heisst ohne zentrale Kontrollstelle. Insofern können neuartige (dezentrale) Organisationsstrukturen gedacht werden, welche wiederum mit neuen Partizipationsformen einhergehen (siehe oben).

Viertens, ist die Blockchain unveränderbar. Mit anderen Worten, können die Daten nachträglich nicht mehr manipuliert werden. Eine Blockchain offenbart alles, was je auf der Blockchain getätigt wurde und ist zumindest für Zugriffsberechtigte bis ins kleinste Detail nachvollziehbar. Auf diese Weise können Verwaltungen mehr Transparenz in ihren Prozessen schaffen und Korruption vorbeugen, was auch fürs Thema E-Voting interessant ist.

Im Zusammenhang mit diesen vier Punkten stellten Unternehmen wie ProCivis, die Post/PostFinance, EY, und Elbox ihre Use-Cases vor. Vor allem folgende Anwendungsbereiche standen im Vordergrund: Datenschutz, E-Identity und -Voting, dezentrale Energieversorgung, sowie Rückverfolgbarkeit von Produktions- und Zulieferungsketten. Vor allem letzteres schien auf grosses Interesse zu stossen und eröffnet gerade im Landwirtschaftssektor neue Perspektiven, wie
beispielsweise für die Zertifizierung von Bioprodukten. Auch Cédric Wermuth sieht hier eines der grössten Potenziale der Blockchain-Technologie, wie er uns im Interview verriet.

Trotz der spannenden Diskussionen zu den vorgestellten Projekten, bot die Konferenz – die im Übrigen unter dem Patronat der Swiss Blockchain Federation stattfand – genügend Raum, um Interessen zu platzieren. So stand der Morgen mit den Präsentationen von Mathias Ruch, CEO von CV VC, und Vasily Suvorov, Vizepräsident der Crypto Valley Association, ganz im Zeichen des «Zuger Crypto Valleys». Ausserdem konnte Ryan Jesperson, neuer Präsident der Tezos Foundation, als Hauptpartner der Infrachain18 die Gelegenheit gleich nutzen, um in seinem Referat den kürzlich erlittenen Reputationsschaden der Firma abzumildern[2]. Gerne hätten wir mehr erfahren über Tezos als Use-Case, doch das schien in diesem Zusammenhang eher zweitrangig.

Für einen geistreichen und doch erfrischenden Abschluss sorgte hingegen der Philosoph Dr. Ludwig Hasler:

“Mit der Blockchain wird mir die Digitalisierung sympathischer.”

Was Herr Dr. Hasler wohl damit gemeint hat, ist dass die Blockchain einen dezentralisierenden Effekt auf die Gesellschaft ausüben kann.

Die Dezentralisierung wurde allerdings im Verlauf des Tages hauptsächlich unter dem Blickwinkel der Effizienz und verminderter Transaktionskosten betrachtet. Blockchain-Anwendungen bergen zwar dahingehend ein grosses Potential, doch ist dies unserer Meinung nach kein Selbstzweck. Dezentralisierung ist insofern erstrebenswert, als dass sie – eingesetzt am richtigen Ort – zu mehr Demokratie und Gestaltungsfreiräumen für die Gesellschaft führen kann. Dem ist nicht automatisch damit gedient, mittels neuer Technologien Abläufe in der Wirtschaft effizienter zu gestalten und dabei gewisse Institutionen zu umgehen.

Unser Appell an die Politik wäre deshalb, in Zukunft über die Grenzen von Prozessoptimierungen hinauszudenken und das Potential der Dezentralisierung für die gesamte Gesellschaft auszuloten.

[1] Für eine gute Übersicht siehe: Berryhill, J., T. Bourgery and A. Hanson (2018), “Blockchains
Unchained: Blockchain Technology and its Use in the Public Sector”, OECD Working Papers on Public Governance, No. 28, OECD Publishing, Paris. http://dx.doi.org/10.1787/3c32c429-en.

[2] Grundlehner, Werner. (27.08.18). Seit dem Rücktritt des Stiftungspräsidenten der Zuger Tezos Foundation ist nichts mehr vom Blockchain-Projekt zu hören – was heisst das? Neue Zürcher Zeitung. Abgergufen von https://www.nzz.ch/finanzen/tezos-und-andere-problemfaelle-im-krypto-valley-ld.1414665 [05.12.18].

Artikel teilen