Um die Fragen über Morgen niederschwellig, zugänglich und umfassend zu verhandeln, braucht es ein Grundverständnis – und eine Methode: die Szenario-Technik. Sie ist ein wichtiger Bestandteil unserer Herangehensweise und liegt dem Entwerfen unserer Zukunftsexperimente zugrunde.
Der Wunsch zu wissen, wie die Zukunft aussieht, ist so alt wie die Menschheit selbst.
Ute von Reibnitz
Szenario-Technik, 1991
Quantitative Datengrundlagen sind oft unzureichend
In konventionellen Prognosen der Zukunft werden quantitative Faktoren erfasst, und aus diesen wird eine Prognose erstellt. Nicht-messbares fliesst nicht in die Prognose mit ein. Entwicklungen in gesamtgesellschaftlichen Bereichen wie zum Beispiel der Digitalisierung sind so komplex und umfassend, dass sie sich nicht voraussagen lassen. Auch können externe Einflüsse, wie zum Beispiel die Corona-Virus-Pandemie, können durch statistische Prognosemethoden wenig berücksichtigt werden. Aber solche Disruptionen können die Gesellschaft innert kurzer Zeit komplett verändern. In der konventionellen Prognosenmethodik wird also oftmals rückwärts blickend in die Zukunft marschiert.
Zurück aus der Zukunft
In der Szenario-Technik wird zwischen der Vergangenheit und der Zukunft bewusst ein Schnitt gemacht und dann zurück gearbeitet. Ein wünschenswertes Szenario wird in der Zukunft abgesteckt, von diesem geht man zurück ins Jetzt und von dort werden Schritte in die Zukunft geplant. Am Ende entsteht also nicht nur ein wünschenswertes Szenario, sondern auch Handlungsempfehlungen, wie man dorthin gelangen könnte.
Ablauf der Szenario-Technik
1. Problem- und Umfeldanalyse
Im ersten Schritt geht es um die Definition und Strukturierung des Untersuchungsfeldes sowie die Beschreibung des Ist-Zustandes. Was ist das Problem, und was wirkt auf das Problem ein? Was sind möglichen Einflussfaktoren, die das Untersuchungsfeld in der Zukunft beeinflussen? So wird auch abgegrenzt, was Gegenstand der Analyse ist und was nicht.
Als Beispiel: Wie wird sich die Digitalisierung im privaten Umfeld weiterentwickeln? (Untersuchungsfeld). Einflussfaktoren könnten sein: 5G Funkstandard, Datenschutz, Homeoffice, ...
2. Aufstellen von Projektionen und Annahmen
In diesem Schritt werden ausgehend von den Einflussfaktoren Projektionen und Annahmen für das Zieljahr entwickelt. Diese werden sortiert, gebündelt und auf einer Achse zwischen Dystopie und Utopie gewichtet.
Als Beispiel: Der 5G Funkstandard (Einflussfaktor) wird den Heiminternetmarkt komplett auslöschen (Annahme).
3. Szenario-Entwicklung und -Interpretation
Verschiedene utopische, wünschenswerte und auch dystopische Projektionen und Annahmen werden nun in ganzheitliche wünschenswerte «Zukunftsszenarien» gewoben. Es entstehen Geschichten, Tagesabläufe oder Collagen verschiedenen Zukünfte. Die verschiedenen Szenarien werden in einem partizipativen und deliberativen Prozess erneut auf der Achse zwischen Dystopie und Utopie eingeordnet.
4. Formulieren der Gelingensbedingungen
Die letzte Phase dient dem Erstellen der Gelingensbedingungen, die dazu dienen, die gewünschte Entwicklung der Szenarien verhandelbar zu machen. Es werden mögliche Schritte definiert, die dazu dienen können, ein Szenario Wirklichkeit werden zu lassen. Damit ermöglicht die Szenario-Technik nicht nur, kreativ über alternative Zukünfte nachzudenken, sondern auch Handlungsempfehlungen zu formulieren, die den Weg dorthin ebnen.
Was bringt ein Szenario-Workshop?
Gemeinsam eine Grundlage für Ihr Leitbild oder Ihre Vision erarbeiten. Eigene Zukunftsvorstellungen, Werte und Glaubenssätze erkennen und hinterfragen. Neue Zukünfte denken und damit Handlungsmöglichkeiten in der Gegenwart schaffen.
In einem eintägigen Workshop mit der «Greater Zurich Area» haben wir die Szenario-Technik angewendet, um die Zukunft des Standortmarketings und der Wirtschaftsförderung zu verhandeln. Erarbeitet wurden Projektionen, Szenarien und Gelingensbedingungen über die nächsten 20 Jahre. Als Vorarbeit hat die GZA bereits die Problem- und Umfeldanalyse sowie die Einflussfaktoren vorbereitet.
Digitale Demokratie
Im Auftrag der Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-SWSS) entwarf das Dezentrum Szenarien einer Digitalen Demokratie. In dem Zusammenhang wurdden die oben aufgezeigten einzelnen Schritte alle mehrfach und als Ganztagesworkshops durchgeführt.
In einem Digitalen Workshop mit der CooperativeSuisse hat das Dezentrum mit Experten:innen und Teilnehmenden Projektionen gesammelt und Szenarien erarbeitet, zur Frage, wem der digitale Raum gehört und wie die Zukunft von öffentlicher digitaler Infrastruktur oder öffentlichem digitalem Raum aussehen könnte.
Gruppenarbeit an den Social Design Days in Nürnberg (Foto: Sven Stolzenwald)
Szenario-Workshop durchführen
Möchten Sie mit Ihrer Organisation einen Szenario-Workshop durchführen? Wir organisieren Szenario-Workshops sowohl offline als auch online.
Spekulative Objekte übersetzen Zukunftsszenarien in greifbare Formen. Sie dienen als Gesprächsanlässe, hinterfragen gewohnte Denkmuster und regen zur Auseinandersetzung mit möglichen Entwicklungen an. Ihre sinnliche Präsenz eröffnet Zugang zu komplexen Fragen und neue Blickwinkel.
Zukunftsexperimente testen mögliche Szenarien im Hier und Jetzt. Sie schaffen Erfahrungswerte und öffnen Räume für gemeinsames Gestalten mit verschiedenen Perspektiven. Wenn Zukunftsszenarien ausprobiert, reflektiert und weiterentwickelt werden, entstehen lebendige Lernfelder für Organisationen und Gesellschaft.
Szenario-Workshop mit den Parlamentarischen Diensten des Kanton Zürichs
Auswahl Case Studies
Parlamentsdienste Kanton Zürich
Kollaborative Zukunftsszenarien für die Parlamentsdienste
Wie sieht unsere Arbeit in Zukunft aus? Zu dieser Frage entwickelte das Team der Parlamentsdienste unterschiedliche Szenarien. Zum Teil vorsichtig, zum Teil radikal. Sie lernten dabei verschiedene Methoden aus dem Futures Thinking kennen und setzte sich mit den eigenen Annahmen über Zukünfte auseinander. Der ganztägige Szenariotechnik-Workshop führte zu reichhaltigen Erkenntnissen – jetzt wird damit ein neues Leitbild erarbeitet.
Die Zukunft muss aktiv verhandelt und gestaltet werden – und zwar demokratisch. Für die Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung (TA-SWISS) bearbeitete das Dezentrum drei Zukunftsszenarien für eine digitale Demokratie im Jahr 2050. In einem partizipativen und interdisziplinären Prozess entstanden drei Kurzgeschichten, die je von einem spekulativen Objekt illustriert werden.
Evaluierung des Entwicklungspotenzials von Greater Zurich Area
Wie wird sich die Greater Zurich Area als Standort und ökonomisch weiterentwickeln? Dieser Frage ging das Dezentrum in einem Workshop mithilfe der Szenario-Technik nach. Am Ende entstanden unterschiedliche Zukunftsszenarien zum Wachstum der GZA.
Lebenswerte Zukünfte gestalten
Experimente zu verkürzter Arbeitszeit (EvA)
Inmitten von Klima- und Gesundheitskrisen, Fachkräftemangel sowie Ängsten vor Globalisierung und Digitalisierung steht die Schweiz vor grossen Herausforderungen. Könnte weniger Arbeitszeit eine Antwort sein? Gemeinsam mit dem Centre for Development and Environment (CDE) und in Zusammenarbeit mit Schweizer Unternehmen, der Zivilgesellschaft und Institutionen entwickelt das Dezentrum wünschenswerte Szenarien und führt ein Experiment durch.
Digitale Transformation der Arbeitslosenversicherung
SECO‘s Ausgleichsstelle für Arbeitslosenversicherung arbeitet an Modernisierungsprojekten der IT-Infrastruktur in ALV sowie öffentlichen Arbeitsvermittlung. Bemühungen tragen schon erste Früchte, stellen jedoch nur den Beginn einer digitalen Transformation dar. Um diese ins Rollen zu bringen, wurde die Digitalisierung in der Aufsichtskommission für den ALV Ausgleichsfonds besprochen. Breite Zustimmung galt dem erforderlichen Kulturwandel. Zu klären bleibt, inwiefern die föderale Vollzugsautonomie mit der Prozessharmonisierung auf nationaler Ebene in Einklang gebracht werden kann.
CooperativeSuisse
Szenarioworkshop: Wem gehört der digitale Raum?
Im Auftrag von CooperativeSuisse führten wir als Teil der Veranstaltungsreihe «Eigentum der Zukunft» einen Workshop zur Fragestellung «Wem gehört der digitale Raum?» durch. Die Teilnehmenden entwickelten dabei wünschenswerte Zukunftsszenarien, wie öffentlicher Raum und öffentliche Infrastruktur 2030 aussehen könnte.
Dezentrum Newsletter
${ errors.first('email') }
${ formMessage }
Regelmässig informieren wir über Aktuelles im Dezentrum.